Die Friesische Freiheit: Identitätsstiftendes Element in Ostfriesland

Geschichte(n) Ostfrieslands: Mit Lothar Englert auf Zeitreise

Steinpyramide von 1833 auf dem Upstalsboom
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Matthias Süßen

Die Menschen auf der ostfriesischen Halbinsel sind zu Recht stolz auf ihre Geschichte. Wer deren Verlauf etwas genauer kennt wird ohne Zögern einräumen, dass sie in der Historie der „deutschen Stämme“ eine besondere Stellung einnimmt, die explizit auch als ein vorderer Rangplatz verstanden werden darf. Die besonderen Verhältnisse in diesem Land finden trotz der einen oder anderen Kongruenz in der Summe schwerlich Vergleichbares.  Dabei hatten die Menschen hier durchaus Erfahrung als Untertanen. Denn obwohl Friesland in der Antike zu Germania Magna gehörte, also dem Teil, den die Römer nicht dauerhaft besetzen konnten, (und von dem sie in der Folge der berühmten „Varusschlacht“ 9 n.Ch. endgültig die Nase voll hatten) gelang es römischen Truppen dennoch, zeitweise hier Fuß zu fassen. Das war etwa der Fall nach den Feldzügen des Drusus (12-8 v.Chr.), der aus den Friesen sogar „Verbündete“ machen konnte, zumindest aber doch kooperationsbereite Vasallen. 

Auch im frühen Mittelalter waren die Friesen nicht wirklich frei. Sie hatten Herren, deren „Status der Nobilität“ (Herzöge oder Könige) uns heute unklar ist, die aber sehr wohl im Sinne einer Feudalherrschaft regierten. Hier sind uns Namen wie Aldegill und Ridzard überliefert, auch Poppo und Surbod, vor allem aber Radbod, der sich im 7. Jahrhundert mit einigem Erfolg gegen die Christianisierung durch die Franken zur Wehr setze, weil er erkannte, dass diese vor allem Eroberung in Sinn hatten. 

Erst im hohen Mittelalter wird die Sache mit der Friesischen Freiheit wirklich fassbar und interessant. Zwar haben sie im Altertum die Legionen des Drusus verjagt (der Anlass waren überzogene Forderungen der Besatzer) und auch die Feudalherrschaft des frühen Mittelalters haben sie abgeworfen, aber erst danach bildet sich ein politisches Konstrukt, das in Form, Geist und Wesen erkennbar neu ist; die Friesische Freiheit. Wir reden von einer Art bäuerlicher Republik, die weitgehend dem Willen des „Volkes“ entspricht, auf den Ausgleich der Interessen angelegt ist und frühe Formen der Machtkontrolle kennt. Kernelemente dieser Freiheit sind eingeschränkte Subordination, begrenzte Tributpflicht und die auf das Heimatland festgelegte Heerfolge. Die Friesen erkannten nur den König oder Kaiser als Herrn an, nur ihm zahlten sie Steuern und nur auf heimatlicher Scholle kämpften sie. 

Es gehört zu den Einzigartigkeiten der friesischen Geschichte, dass gerade die Herren im Land besonders populär sind, die das Gebilde der Friesischen Freiheit zum Einsturz brachten; die sogenannten Häuptlinge. Ocko tom Brok und Focko Ukena sind hier ebenso populär wie Otto Waalkes. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Ostfriesland 1464 erbliche Grafschaft wurde und später, zur Regierungszeit Friedrichs II., an Preußen fiel. Die Menschen auf der Halbinsel finden auch heute noch viel Gefallen am freiheitlichen Teil ihrer Geschichte, darauf gründet sich ihre gegenwärtige Identität, daraus schöpfen sie die Ruhe und die Kraft, für die man sie so gerne lobt. 

Lothar Englert         

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